GeFühle fetzen

Angst, die nicht weggeht


Dora

18 Jahre – hat die Trennung ihrer Eltern mitgemacht


«Das Schlimmste ist jetzt vorbei, glaube ich. Aber trotzdem fühle ich mich oft tierisch allein und weiß nicht, mit wem ich reden soll.»

Wenn ich meine neue Adresse irgendwo angebe, verschreibe ich mich manchmal noch. Und will erst die alte angeben. Das ist zwar unsere neue kleine Wohnung, aber noch kann ich mich nur schwer daran gewöhnen. Wenigstens ist es jetzt wieder friedlich zu Hause und ich komme nicht mit eingezogenem Kopf durch die Tür, in der Angst, dass wieder die Fetzen fliegen.

Ich dachte immer, dass wir als Familie doch ohnehin nur ein paar Jahre zusammen haben, bis meine Schwester und ich ausziehen. Noch nicht mal die haben wir jetzt mehr. Ich frage mich manchmal, was das noch bringt, nur mit meiner Mutter auf Familie machen, wo doch klar ist, dass das für sie mit meinem Vater echt vorbei ist.

Vorbei sind aber auch die ewigen Streitereien, das Rumgeschreie durch das ganze Haus, mein Vater, der nicht mehr spricht, mit niemandem. Meine Mutter, die nur noch heult und schimpft auf ihr Leben – also auch auf uns!

Natürlich ist das nicht spurlos an mir vorübergegangen. Ich war nur noch launisch, depri, hab viel geheult. Und hab es vermieden, viel zu Hause zu sein. In der Zeit hab ich viel Mist gebaut, bin nachts abgehauen, hab mich besoffen und die Schule geschwänzt. Mein Vater und meine Mutter waren zum Glück zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um etwas zu bemerken.

Als mein Vater dann von zu Hause ausgezogen ist, stand ich nur noch neben mir. Vielleicht hätte ich mehr mit den beiden reden sollen. Und ihnen klarmachen, wie sehr meine Schwester und ich sie beide brauchen. Mein Vater meidet nicht nur meine Mutter, sondern auch mich. Er ruft nicht an und schreibt kaum. Warum verhalten sich Erwachsene wie kleine, trotzige Kinder? Warum kann man nicht mal seinen Stolz überwinden und aufeinander zugehen?

Das Schlimmste ist jetzt vorbei, glaube ich. Aber trotzdem fühle ich mich oft tierisch allein und weiß nicht, mit wem ich reden soll. Ob ich selbst mal eine eigene Familie haben will? Keine Ahnung. Meine Angst ist im Moment groß, das Ding genauso gegen die Wand zu fahren, wie es meine Eltern getan haben.

Jessica, Freundin

Vorbei sind aber auch die ewigen Streitereien, das Rumgeschreie durch das ganze Haus, mein Vater, der nicht mehr spricht, mit niemandem. Meine Mutter, die nur noch heult und schimpft auf ihr Leben – also auch auf uns!

Sei mal froh, dass du da nicht mehr leben musst! Ist bestimmt jetzt in der Anfangszeit schwer für dich  in der neuen Wohnung, aber mal ehrlich – das war doch nicht mehr zum Aushalten mit  deinen Eltern! So ist es jetzt allemal besser. Und wenn du dich alleine fühlst – ruf mich an!

Waltraud, Tante

Das Schlimmste ist jetzt vorbei, glaube ich. Aber trotzdem fühle ich mich oft tierisch allein und weiß nicht, mit wem ich reden soll. Ob ich selbst mal eine eigene Familie haben will? Keine Ahnung. Meine Angst ist im Moment groß, das Ding genauso gegen die Wand zu fahren, wie es meine Eltern getan haben.

Ich bin sehr froh, dass du nach dieser schlimmen Zeit langsam wieder Hoffnung schöpfst. Ich bin froh, dass du dich an deine Tante erinnert hast, als es dir mal ganz dreckig ging. Plötzlich standst du vor meiner Wohnungstür, hattest viel getrunken. Vielleicht haben wir auch deshalb viel geredet. Dafür ist eine Familie da, sich alles erzählen zu können, ohne Hintergedanken, ohne Scham, einfach so.

Malte J., Psychotherapeut

Mein Vater meidet nicht nur meine Mutter, sondern auch mich. Er ruft nicht an und schreibt kaum. Warum verhalten sich Erwachsene wie kleine, trotzige Kinder? Warum kann man nicht mal seinen Stolz überwinden und aufeinander zugehen?

Das sind gute Fragen. Du wünschst dir sicher, dass deine Eltern für dich da sind, gerade jetzt, wo es dir so mies geht und du dich verlassen und verunsichert fühlst. Und genau jetzt sind sie mit sich selbst und ihren Kränkungen beschäftigt. Fordere sie trotzdem heraus und sag ihnen, wie es dir geht. Sprich sie als Eltern an und mach deutlich, dass du sie brauchst. Das trotzige Verhalten, das du bei deinen Eltern beobachtest, hat mit ihrem Konflikt als Paar zu tun. Wenn du sie als Vater und Mutter ansprichst, schaffen sie es möglicherweise, in den „Elternmodus“ zurückzufinden und zu verstehen, wie es dir geht. Vielleicht ist dein Vater auch unsicher, wie er auf dich zugehen soll. Vielleicht hat er Schuldgefühle dir gegenüber. Zeig ihm ruhig, dass du ihn brauchst. Sollte das nicht klappen, überleg ruhig, ob du jemanden kennst, dem du vertraust und von dem du dich verstanden fühlst, solange deine Eltern so sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Manchmal brauchen die etwas länger, aber du hast das Recht, dass auch jemand für dich da ist. Wenn du mit Freunden oder Verwandten nicht sprechen möchtest, könntest du dich an eine Beratungsstelle wenden. Die gibt es in jeder Stadt und jedem Landkreis. Manchmal heißen sie Familien- oder Erziehungsberatungsstellen, in manchen Städten gibt es Jugendberatungsstellen. Die kennen sich mit solchen Situationen aus, hören dir zu und versuchen zu verstehen, wie es dir geht und was dir helfen könnte.          

Zurück nach oben